Wenn sich Zellen teilen, bilden die Mikrotubuli – ein dynamisches Geflecht von Proteinfilamenten – eine Mitosespindel, die die Chromosomen auseinanderzieht und in zwei Tochterzellen einordnet. Tiere unterscheiden sich dabei von Pflanzen: Die Mitosespindel bleibt – einmal gebildet – in der Pflanzenzelle immer am gleichen Ort. In Tierzellen wandert das unter dem Mikroskop sichtbare Gebilde während der Zellteilung umher. Dort wo es stehen bleibt, teilt sich dann die Zelle. Das besondere an Mooszellen: Ihnen fehlt im Ablauf der Mitose die Bildung eines Gürtels aus Mikrotubuli und Aktinfilamenten, beides Bestandteile des Zellskeletts. Bisher dachte man, dieses sogenannte Präprophaseband bestimme bei Pflanzen, wo die Spindel sich bildet und wo sie verankert wird. „Warum ist aber die Mitosespindel in Mooszellen unbeweglich wie in anderen Pflanzen, obwohl das Präprophaseband fehlt?“, fragte sich Kozgunova, Erstautorin der Studie und Humboldt-Bayer-Stipendiatin in Reskis Labor.
Bewegliche Spindel in Pflanzen bisher unbekannt
Zur Lösung dieses Rätsels langte das Team in die molekularbiologische Trickkiste: Sie veränderten Pflanzen des Kleinen Blasenmützenmoos Physcomitrella so, dass ihnen fünf Gene fehlten. Die Forschenden wussten, dass diese dem tierischen Gen eines Signalmoleküls ähneln, das für die Mitose wichtig ist: Das Protein TPX2 ist an der Bildung der Mitosespindel bei Tieren beteiligt.
In Moospflanzen ohne die TPX2-Gene beobachteten die Forschenden die Mitose unter dem Mikroskop. Sie stellten erstaunt fest: Bei diesen Zellen bewegte sich nun die Spindel während der Zellteilung. „Solche beweglichen Spindeln wurden noch nie bei Pflanzenzellen beobachtet!“, erklärt Kozgunova. Die veränderten Zellen teilten sich unregelmäßig, was im Laufe des Wachstums der Moospflanzen zu Missbildungen führte.
Ein Tauziehen des Zellskeletts
Indem die Forschenden nun das Aktinskelett der Zelle beeinflussten, zeigten sie, dass Aktinfilamente an der Mitosespindel zerren: „Es ist eine Art Tauziehen zwischen Mikrotubuli und Aktin, das die Mitosespindel in der Zelle ausrichtet. Das ähnelt sehr den Vorgängen in der tierischen Zelle“, berichtet Reski. Auch bei tierischen Zellen wird die Mitosespindel mit Hilfe der Aktinfilamente bewegt. Diese Erkenntnisse helfen den Forschenden herauszufinden, welche Signale das Schicksal von Zellen in der Entwicklung bestimmen. Sie hoffen, somit das Pflanzenwachstum besser verstehen und beeinflussen zu können.
Die Aufnahmen der Zellteilung entstanden im Life Imaging Centre, einer zentralen Einrichtung des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies an der Universität Freiburg.
Original Pressemitteilung: kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2022/zellteilung-bei-moos-und-tieren-aehnlicher-als-gedacht
Originalpublikation: E. Kozgunova, M.W. Yoshida, R. Reski, G. Goshima (2022): Spindle motility skews division site determination during asymmetric cell division in Physcomitrella. Nature Communications13, DOI: 10.1038/s41467-022-30239-1.