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Internationaler Frauentag 2022: Interview mit Dr. Elke Barbez

Die Pflanzenforscherin am CIBSS erklärt ihre Forschung an Zellwänden und spricht über Signale und Geschlechtergerechtigkeit.

Die Pflanzenforscherin Dr. Elke Barbez ist neues Mitglied des CIBSS und sprach anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2020 mit Mathilde Bessert-Nettelbeck über ihre Forschung, Signalwissenschaften und Gleichstellung. Bei CIBSS leitet sie das CIBSS-B Projekt, "Interregulation von Ladung der extrazellulären Matrix und der Nährstoffverfügbarkeit in der Wurzel" - “The inter-regulation of extracellular matrix charge and nutrient availability in the root”.

 

„Ich bin immer wieder erstaunt über die Fähigkeit von Pflanzen, allein aus Wasser, Kohlendioxid und Licht so viel Biomasse zu erzeugen.“
Elke Barbez

Was mögen Sie an Pflanzen?

Elke Barbez: Jeden Frühling und Sommer baue ich Pflanzen auf dem Balkon und im Garten an. Ich bin immer wieder erstaunt über die Fähigkeit von Pflanzen, allein aus Wasser, Kohlendioxid und Licht so viel Biomasse zu erzeugen.

Ihr Forschungsthema ist die extrazelluläre Matrix. Was genau ist das bei Pflanzen? Warum ist sie so wichtig?

Die extrazelluläre Matrix ist eigentlich ein Teil der Pflanze, aber sie ist nicht Teil der Pflanzenzellen.  Mit anderen Worten, sie ist der Raum zwischen den Zellen. In Pflanzen wird dieser Raum von der Zellwand eingenommen, die aus einer komplexen Mischung großer Polymere besteht. Die Zellwand ist für Pflanzen unerlässlich, da sie ihnen Festigkeit und Steifigkeit verleiht. Sie ermöglicht es den Pflanzen, sehr hoch zu wachsen. Man denke nur an die höchsten Bäume der Welt, die Mammutbäume, die bis zu 100 Meter hoch werden. Der wichtigste Baustein der Zellwand ist die Zellulose. Wir alle kennen Zellulose aus unserem täglichen Leben, da Papier aus Zellulose besteht und die Papierherstellung die wichtigste kommerzielle Verwendung dieser Faser ist.  Der zweitwichtigste Baustein der Zellwand ist Pektin. Pektin besteht aus sehr langen Molekülen, die um die Zellulose gewickelt sind und die Zellulose zusammenhalten, um die gesamte Zellwand noch stärker zu machen. Sie kennen Pektin wahrscheinlich als Bindemittel und Geliermittel beim Kochen von Marmelade.

Das Interessante an Pektin ist, dass es chemisch geladene Gruppen trägt, und diese Ladungen sind immer negativ. Mein Forschungsinteresse liegt genau in diesen negativen Ladungen des Pektins in der Zellwand. Wir wissen, dass die Pflanze den Grad der Ladung in der Zellwand je nach ihren Bedürfnissen verändern kann. Wir wissen auch, dass mehrere wichtige mineralische Pflanzennährstoffe wie Kalzium, Kalium und Eisen positiv geladen sind. Wenn wir uns die Pflanzenwurzel als einen großen Magneten vorstellen, kann sie die Nährstoffe, die sie während ihres Wachstums benötigt, aus dem Boden aufnehmen.  Ich möchte herausfinden, wie Pflanzen die Zellwandladung in ihren Wurzeln nutzen und verändern, um ihre Nährstoffaufnahme zu optimieren, damit sie in nährstoffarmen Böden besser wachsen können.

 

Sie haben Ende letzten Jahres bei CIBSS angefangen. Die CIBSS-Projekte befassen sich mit biologischen Signalweiterleitungen auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Organismen. Was macht „Signalling“ – biologische Signalübertragung –  zu einem so wichtigen Thema der Biologie?

Laut Wörterbuch bedeutet „Signalling“ wörtlich übersetzt: "Informationen oder Anweisungen durch eine Geste, eine Handlung oder ein Geräusch übermitteln". Wenn wir miteinander kommunizieren, übermitteln wir ständig Informationen. Dies kann auch als Signalisierung betrachtet werden.  Das Wissen um die Funktionsweise von Signalprozessen ist sehr mächtig, da es genutzt oder missbraucht werden kann, um die Übermittlung von Informationen zu beeinflussen.  Ein einfaches, aber grausames Beispiel ist der Fernsehturm in Kiew, der vor kurzem während der russischen Bombardierungen im schrecklichen Krieg, der zurzeit in der Ukraine stattfindet, getroffen wurde. Die Zerstörung dieses Fernsehturms blockiert die Übertragung von Informationen an die ukrainischen Bürger.

In der Biologie bedeutet "signalling" dasselbe. Es geht um die Übertragung, Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen, die umgesetzt werden müssen. Im Falle meiner Forschung wäre das Signal die Menge an bestimmten Nährstoffen im Boden, die von der Pflanze wahrgenommen werden könnte. Das Signal muss übertragen, wahrgenommen, verarbeitet und umgesetzt werden, damit die Pflanze sich anpassen kann, um in ihrer aktuellen Nährstoffumgebung optimal zu wachsen.

Das Verständnis dieses Signalprozesses ist wiederum sehr wichtig, da es uns ermöglicht, diesen Prozess zu modulieren, um die Anpassung der Pflanze an bestimmte Wachstumsbedingungen zu verbessern. Mit dem Wissen, das wir erwerben, könnten wir zur Entwicklung von Pflanzen beitragen, die mit weniger oder ohne synthetische Düngemittel gut wachsen. Außerdem möchte ich erwähnen: Wenn ich von der Entwicklung von Pflanzen spreche, so ist dies über gentechnische Veränderungen möglich, aber auch über klassische Züchtungstechnologien - ohne gentechnische Veränderungen.

Ich habe auf Ihrer Website gesehen, dass Sie mit einer Methode namens genomweite Assoziationsstudie arbeiten. Können Sie mir sagen, was das genau ist und wie Sie es anwenden?

Ja, genomweite Assoziationsstudien, oder wie wir sie kurz nennen, GWAS, sind ein leistungsfähiges genetisches Instrument, das erheblich an Bedeutung gewonnen hat, seit neue Generationen von Technologien für die Sequenzierung relativ einfach und billig geworden sind. GWAS vergleichen die Genome einer Gruppe von Individuen mit oder ohne ein bestimmtes Merkmal, um die Genomregion zu ermitteln, die für dieses Merkmal verantwortlich ist. In meinem Projekt verglichen wir die Genome von Pflanzenökotypen, die aus Böden mit ausreichenden Nährstoffen stammen, mit denen von Pflanzenökotypen, die auf nährstoffarmen Böden wachsen. Auf diese Weise konnten wir Gene identifizieren, die den Pflanzen helfen, sich besser an ihre nährstoffreichen oder nährstoffarmen Wachstumsbedingungen anzupassen. Auffallend ist, dass ich einige Gene identifiziert habe, welche die Ladung von Zellen regulieren. Aus diesem GWAS-Screening und dieser Analyse erwuchs meine Leidenschaft für die Zellwandladung. Das war der eigentliche Ausgangspunkt für dieses Projekt.

 



Dr. Elke Barbez

Meiner Meinung nach gibt es für jeden Mann, der keinen Elternurlaub nimmt oder nehmen kann, eine Partnerin zu Hause, die ihre Karriere nicht verfolgen kann.

Was halten Sie persönlich für die dringlichste Maßnahme im Hinblick auf Gleichstellung und Vielfalt in Forschung und Universität?

Ich glaube, dass Fragen der Gleichstellung der Geschlechter und der Vielfalt uns alle angehen, sowohl Frauen als auch Männer. Deshalb glaube ich, dass es an der Universität sehr wichtig ist, sowohl Frauen als auch Männer dabei zu unterstützen, Elternzeit zu nehmen. Für jeden Mann, der keinen Elternurlaub nimmt oder nicht nehmen kann, gibt es eine Partnerin zu Hause, die ihre Karriere nicht verfolgen kann.

Ein zweiter Aspekt, der mir wichtig ist, ist die Überprüfung, wie Maßnahmen zur Gleichstellung und Vielfalt an der Universität umgesetzt werden. Auf den Webseiten der Universität und auch der CIBSS finden sich viele starke Maßnahmen und Statements zu Fragen der Gleichstellung und Vielfalt. Es ist wirklich toll, das zu lesen. Aber ich denke, es ist auch wichtig, einen Blick in die Labore, in die verschiedenen Fakultäten und in den Universitätsalltag zu werfen, um zu sehen, ob diese Vorhaben auf der Website auch wirklich Früchte tragen.