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Sie forscht an präzisen Therapieansätzen gegen Blutkrebs

Natalie Köhler ist neue CIBSS-Tenure-Track-Professorin an der Universität Freiburg

Dr. Natalie Köhler ist seit Mai 2021 neue CIBSS Tenure-Track-Professorin für „Precision Targeting of Signalling Pathways“ an der medizinischen Fakultät der Universität Freiburg. Sie arbeitet am Universitätsklinikum Freiburg mit neusten Techniken an innovativen Ansätzen für die Blutkrebstherapie. Ihr Jugendwunsch, bessere Therapien für Leukämiepatient*innen zu entwickeln, könnte bald Wirklichkeit werden. Mit Mathilde Bessert-Nettelbeck von CIBSS spricht sie über Krebs- und Immunzellen, neue Analysemethoden, warum Kooperationen wichtig für die Wissenschaft sind und wie Forschung aus dem Labor ans Krankenbett gebracht wird.

 

Sie arbeiten bisher in der Onkologie und Hämatologie am Universitätsklinikum. Was fasziniert Sie an diesem Bereich, der sich mit den Blutkrankheiten, insbesondere den Krebserkrankungen, befasst?

Natalie Köhler: Dass ich in der Onkologie arbeiten wollte, wusste ich schon sehr früh. Im näheren Umfeld der Familie gab es Krebsfälle und ich wollte unbedingt selbst etwas dagegen tun. So kam ich zum Studium der Molekularen Medizin an der Universität Freiburg. Dort habe schon in den ersten Semestern meines Studiums als „Hiwi“ in der Hämatoonkologie angefangen – hier begann meine Leidenschaft für die Leukämieforschung.

Was genau ist Leukämie? 

Es ist ein Blutkrebs. Eigentlich gesunde Zellen des blutbildenden Systems entarten und teilen sich unkontrolliert. In den meisten Fällen von Leukämie ist die Zahl weißer Blutkörperchen im Blut stark erhöht.

Haben Sie direkt Kontakt zu Patient*innen?

Ich selbst bin nicht direkt im Kontakt mit Patient*innen des Universitätsklinikums, aber ich arbeite mit Blutproben und Knochenmarksmaterial von Patient*innen, die dort oder an anderen Unikliniken in Behandlung sind. Meine Gruppe tauscht sich intensiv mit den praktizierenden Ärzt*innen aus, die Patient*innen behandeln und klinische Studien durchführen. Meine Forschung ist stark vom klinischen Umfeld geprägt.  

Welche Signale erforschen Sie im Rahmen dieser Blutkrebserkrankungen?

Zwei Signalnetzwerke sind bei meiner Forschung besonders wichtig: Das onkogene Signalling, und das Signalling in Immunzellen, insbesondere T-Zellen. Das onkogene Signalling umfasst die Signalwege, die dafür verantwortlich sind, dass weiße Blutkörperchen oder deren Vorläuferzellen entarten. Die Signalgebung innerhalb von Zellen kann sich durch Mutationen in der DNA verändern. Bei Krebszellen führt das zum Beispiel dazu, dass sie sich unkontrolliert teilen.

Außerdem schauen wir besonders darauf, wie die onkogenen Signale das Immunsystem manipulieren. Unser Immunsystem kann ja Krebszellen eigentlich durchaus erkennen und die entarteten Zellen bekämpfen. Die Tumorzellen sind jedoch in der Lage, diese Immunzellen zu hemmen und sich der Immunabwehr zu entziehen. Hier wollen wir genauer herausfinden, welche Signalwege beteiligt sind. Den Fokus legen wir dabei auf bestimmte Leukämien.

Andererseits erforschen wir aber auch das Immun-Signalling, also die Antwort des Immunsystems auf die Krebszellen. Wie werden Krebszellen erkannt? Wie formt sich die Immunantwort? Und welche Zellen sind wie daran beteiligt? Also schauen wir die Signalabläufe in Leukämiezellen und die Signalwege der dagegen ankämpfenden Immunzellen an. Zusätzlich interessiere ich mich besonders dafür, wie diese beiden Signalabläufe sich gegenseitig beeinflussen.

Was ist „Precision Targeting“?

Die präzise Beeinflussung von Signalwegen. Darauf zielt meine Forschung ab. Die Mechanismen in den Signalwegen, die die Krebsentstehung begünstigen, wollen wir erstmal verstehen. Aber der nächste und wichtige Schritt ist dann, Patient*innen zu helfen, indem wir diese Signalwege beeinflussen bzw. hemmen. Das soll natürlich besonders präzise funktionieren, um die Nebenwirkungen gering zu halten.

Das ist – vereinfacht gesagt – mit „Precision Targeting“ gemeint: Genau und zielgerichtet an Signalwegen eingreifen – mit Arzneimitteln etwa – und so die Blutkrebserkrankungen besser bekämpfen.

Was für Anwendungen haben Sie im Blick?

Im besten Fall wollen wir Therapiemöglichkeiten finden, die solche Signalwege, mit denen Tumorzellen dem Immunsystem entwischen, hemmen. Eine der Therapiemöglichkeiten, an denen wir arbeiten, setzt zum Beispiel am Tyrosinkinase-Signalling an: Wenn diese Signalkette überaktiv ist – wie in manchen Tumorzellen ­– führt das zur Produktion eines Moleküls, das die Immunantwort hemmt. Und somit hemmt es auch die Immunantwort gegen diese Art von Tumorzellen, die die entartete Tyrosinkinase produzieren. Medikamente gegen diese Art von Tyrosinkinasen gibt es sogar bereits und unsere Forschung könnte die Patient*innen identifizieren, die von diesen Medikamenten besonders profitieren würden. Somit könnten unsere Forschungsergebnisse in der Zukunft einen direkten Vorteil für Patient*innen bringen. Das ist letztendlich mein langfristiges Ziel: Die „Translation“ – die Übertragung – aus der Grundlagenforschung in die klinische Praxis, um damit direkt den Patient*innen helfen zu können.



There are so many exciting approaches that could be used to identify the small metabolites in cancer and immune cells, so I am looking forward embarking on this new research direction in CIBSS.

Was möchten Sie innerhalb von CIBSS erreichen?

Bei einigen unserer Projekte kooperiere ich bereits mit verschiedenen CIBSS-Mitgliedern, und diese Zusammenarbeit wollen wir gerne vertiefen und ausweiten. Außerdem arbeite ich an Studien zur allogenen Stammzelltransplantation: Dabei werden Stammzellen von einem fremden Spender in Patient*innen mit Leukämie transplantiert, um deren Immunzellen zu ersetzen. Die fremden Immunzellen sollen den Tumor angreifen und zerstören. Aber sie greifen zum Teil auch gesundes Gewebe von Patient*innen an. Das nennt man „Graft-versus-Host“-Reaktion. Im schlimmsten Fall kann das tödlich verlaufen.

Wir untersuchen, wie die transplantierten T-Zellen auf Signale der Körperzellen reagieren und was innerhalb der Zellen abläuft. Wir arbeiten mit der Arbeitsgruppe von CIBSS-Mitglied PD Dr. Susana Minguet zusammen und bekommen hier die Expertise, um diese Signalmechanismen besser zu verstehen. Susana Minguet ist Expertin für T-Zell-Rezeptor-Signalling und konnte uns bei diesem Projekt bereits sehr weiterhelfen.

Wir starten nun auch im Bereich des metabolischen Signalling mit Studien – hier freuen wir uns auch auf die Zusammenarbeit mit den Stoffwechsel-Expert*innen am CIBSS. Es gibt so viele spannende Ansätze, um die kleinen Stoffwechselprodukte in Krebszellen und Immunzellen zu identifizieren, da freue ich mich auf Kooperationen und CIBSS bietet uns dafür ein tolles Umfeld.

Verwenden Sie eine besondere Methodik?

Unser Ziel ist es, Daten aus verschiedenen experimentellen Modellen zu integrieren – die Ergebnisse aus menschlichen Proben, aber auch aus Mausmodellen für Leukämien und immunologische Erkrankungen – und natürlich aus der Forschung an Zellkulturen. Wir machen viele Einzelzell-RNA-Sequenzierungen: Wir sehen mit dieser Methode, was genau in einer einzelnen Zelle abläuft. In der klassischen Analyse verlieren Daten einiges an Genauigkeit, wenn man komplexe und gemischte Zellpopulationen auf einmal (im „Bulk“) analysiert.

Die Methode der Einzelzell-RNA-Sequenzierung verwenden wir, um einzelne Krebszellen und Immunzellen von Mäusen und Menschen zu untersuchen. Die Krebszellen können sehr unterschiedlich in ihren Expressionsmustern der RNA-Sequenzen sein. Bei den Immunzellen betrachten wir besonders die T-Zellen: Hier gibt es auch sehr viele Subtypen mit unterschiedlichen RNA-Expressionsmustern.

Zum Teil übersehen wir regulatorische Vorgänge, wenn die Subtypen von T-Zellen nicht einzeln analysiert werden. Die Einzelzell-RNA-Sequenzierung macht hier feine Unterschiede sichtbar und deckt auch Unterschiede in sehr kleinen, seltenen Zellpopulationen auf. Als ich anfing zu forschen, war das so noch nicht möglich und ich halte es für eine vielversprechende und zukunftsträchtige Methode, die neue Einblicke in die Signalvorgänge ermöglicht.

Sie waren selbst Studentin hier in Freiburg. Würden Sie den Studiengang Molekulare Medizin empfehlen?

Ja, auf jeden Fall. Ich war in einem der ersten Jahrgänge dieses Studiengangs in Freiburg. Er hat mich meiner Meinung nach optimal vorbereitet für die translationale Forschung, da er eine perfekte Brücke zwischen Humanmedizin und Biologie schlägt. Und heute übernehme ich dort selbst Lehrveranstaltungen und auch einige Doktorand*innen und Student*innen in meinem Labor haben diesen Studiengang absolviert. 

"Wir sehen mit dieser Methode, was genau in einer einzelnen Zelle abläuft", sagt Natalie Köhler zur Einzelzell-RNA-Sequenzierung.

Jeder Punkt in diesem Schaubild steht für eine einzelne Immunzelle. Mit der Methode der Einzelzell-RNA-Sequenzierung können Forschende Zellpopulationen identifizieren und unterscheiden, abhängig davon, welche Gene in den unterschiedlichen Zellen aktiv sind. Die verschiedenen Immunzell-Populationen sind hier in unterschiedlichen Farben dargestellt. (Bild: Natalie Köhler)

What technology plays an important role in your research?

Our goal is to integrate data from different experimental models: results from human samples, but also from mouse models of leukaemia and immunological diseases, and of course from cell culture research. We do a lot of single-cell RNA sequencing, because this method can give us a detailed view at what is going on in a single cell. In classical analysis, data loses some of its power and accuracy when it comes to analysing complex and mixed cell populations all at once (in "bulk"). Therefore, we use single-cell RNA sequencing to analyse individual cancer cells and immune cells from mice and humans. Cancer cells can vary widely in their RNA sequence expression patterns. In the case of immune cells, we are looking specifically at T cells: there are very many subtypes with different RNA expression patterns. If we do not analyse the subtypes of T cells individually, we might miss some of the regulatory processes. Single-cell RNA sequencing reveals very subtle differences between populations and can identify very small, rare cell populations. When I started doing research, this was not yet possible, and I think it is a very promising method for the future‚that also gives new insight into signalling processes

As an alumnus of the University of Freiburg, would you recommend the Freiburg Molecular Medicine programme?

Yes, definitely. I was in one of the first classes of this programme in Freiburg. In my opinion, it prepared me very well for translational research because it builds a perfect bridge between human medicine and biology. Now I even teach within this programme myself, and some of the doctoral researchers and students in my lab have completed this programme as well. 

 

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Dr. Natalie Köhler