Während des Prozesses der Zellteilung erben die Tochterzellen genetisches Material und andere Moleküle. Dieses Erbe umfasst sowohl nützliche Komponenten als auch potenziell schädliche Mutationen und beschädigte Moleküle. Wie die Tochterzellen die Auswirkungen dieses schädlichen Erbes bewältigen und abmildern, war bisher unbekannt. Eine Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Asifa Akhtar, Direktorin am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik und Mitglied des Exzellenzclusters CIBSS an der Universität Freiburg, hat nun einen ausgeklügelten Mechanismus aufgedeckt, mit dem sich Tochterzellen vor UV-geschädigter RNA schützen, die von den Mutterzellen vererbt wird.
Ultraviolette (UV) Strahlung ist die energiereichste Komponente des Sonnenlichts. Obwohl bekannt ist, dass UV-Strahlung die DNA schädigt und zu Hautkrebs beiträgt, bleibt ihre Wirkung auf ein anderes lebenswichtiges Molekül, die RNA, oft unbemerkt.
Bei der Untersuchung der zellulären Reaktion auf verschiedene Stressfaktoren fiel den Forschenden etwas Faszinierendes auf: Nach der UV-Exposition sammelte sich ein Protein namens DHX9 in Tröpfchenstrukturen im Zytoplasma der Zelle. "DHX9 ist ein Enzym, das sich normalerweise im Zellkern befindet und die Fähigkeit hat, RNA zu binden. Die Entdeckung dieses Proteins, das außerhalb des Zellkerns Tröpfchen bildet, hat uns sehr erstaunt. Es ist, als ob man einen riesigen Schneeball in der Wüste findet", sagt Akhtar.
DHX9-Granula fangen beschädigte RNA ein
Die Forschenden dachten zunächst, dass die DHX9-Granula vor DNA-Schäden schützen. "Im Gegensatz zu dieser Hypothese fanden wir heraus, dass die DHX9-Granula nicht durch verschiedene Formen von DNA-Schäden ausgelöst werden. Das hat uns veranlasst, nach dem wahren Auslöser zu forschen", sagt Yilong Zhou, Erstautor der Studie. Daher entwickelte das Team eine Tröpfchenextraktionsmethode, um diese Granula direkt aus Zellen zu isolieren und ihren Inhalt zu analysieren.
Überraschenderweise stellte das Team fest, dass die DHX9-Granula voll mit beschädigter RNA waren. "Die schädigende Wirkung von UV-Licht auf RNA wird häufig unterschätzt und steht im Schatten der Auswirkungen auf die DNA. Jetzt haben wir einen eleganten Mechanismus entdeckt, durch den Zellen mit Hilfe der DHX9-Granula schädliche UV-geschädigte RNA absondern und neutralisieren können", erklärt Akhtar. Die Zellen fangen die geschädigten RNA-Moleküle schnell in DHX9-Granula ein und verhindern so, dass sie weitere Schäden verursachen.
Granula werden nach der Zellteilung gebildet
"Was uns noch mehr faszinierte, war die Beobachtung, dass Zellen mit DHX9-Granula immer paarweise auftraten, was darauf hindeutet, dass sie nicht in der ursprünglichen UV-geschädigten Mutterzelle, sondern später in den neu geborenen Tochterzellen gebildet werden", sagt Zhou. Die Hypothese wird durch Videoaufnahmen von lebenden Zellen bestätigt. "Man kann buchstäblich sehen, dass sich DHX9 normalerweise im Zellkern befindet, aber kurz nach der Zellteilung, wenn sich die beiden Tochterzellen gebildet haben, sammelt es sich in Tröpfchen im Zytoplasma", so Zhou weiter. Interessanterweise führt die Verhinderung der Bildung von DHX9-Granula in den Tochterzellen zum Zelltod, was die Fähigkeit der Tochterzellen unterstreicht, die beschädigte RNA ihrer Vorläuferzellen zu erkennen und in DHX9-Granula zu verstauen. "Dieser Prozess ist wie ein Neuanfang und bereitet sie darauf vor, ihre eigene Reise als Zelle anzutreten, ohne den Ballast der vorherigen Generation mitzuschleppen", sagt Akhtar.
Erkrankungen wie Sonnenbrand, neurodegenerative Störungen und Krebs sind eng mit Störungen des RNA-Gleichgewichts und Unregelmäßigkeiten im Zellzyklus verbunden. Die neuen Erkenntnisse eröffnen daher neue Möglichkeiten für die medizinische Forschung: "Ein besseres Verständnis darüber, wie eine neu entstandene Zelle selektiv geschädigte RNA erkennt und abbaut, könnte zu neuen therapeutischen Zielen für Krankheiten führen, die durch RNA-Missmanagement oder Dysregulation der Stressreaktion gekennzeichnet sind", erklärt Akhtar.
Originalveröffentlichung
Zhou Y, Panhale A, Shvedunova M, Balan M, Gomez-Auli A, Holz H, Seyfferth J, Helmstädter M, Kayser S, Zhao Y, Erdogdu NU, Grzadzielewska I, Mittler G, Manke T und Akhtar A (2024). Kompartimentierung von RNA-Schäden durch DHX9-Stressgranula. In: Cell. DOI: 10.1016/j.cell.2024.02.028
CIBSS-Profil von Prof. Dr. Asifa Akhtar
Original-Pressemitteilung auf der Website des MPI-IE