Nervenzellen in Fruchtfliegen aber auch in anderen Lebewesen nutzen Zelleinlagerungen aus RNA-Molekülen und Eiweißen, um ihre Genexpression und somit zelluläre Prozesse zu regulieren. Forscherinnen und Forscher am MPI für Immunbiologie und Epigenetik und dem Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg haben bei der Erforschung dieser sogenannten Neuronen-Granula und deren Bestandteile nicht nur entdeckt, wie und wann diese Einschlüsse entstehen, sondern auch, dass die Zelleinschlüsse entscheidend sind, um den Reifegrad der Zellen des ausgewachsenen Nervensystems zu bewahren. Die Erkenntnisse in der Fruchtfliege Drosophila haben auch Relevanz für die Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen.
Das Nervensystem eines jeden Organismus besteht zum großen Teil aus Neuronen. Während der Entwicklung entstehen diese Zellen aus neuronalen Stammzellen, die sich immer wieder teilen und nach und nach ein dicht verzweigtes Netz von Verbindungen zueinander aufbauen. Die Neuronen des Gehirns kommunizieren über dieses Netz, indem sie elektrische Signale senden und empfangen.
Eine exakte Regulation der Genexpression ist für die korrekte Funktion der Neuronen im sich entwickelnden und erwachsenen Gehirn von entscheidender Bedeutung. Die Zellen erreichen das, indem sie die Menge oder den Einsatzort des Botenmoleküls RNA und somit die Eiweißproduktion verändern. Neuronen setzen dafür auf verschiedene Strategien. Zu diesen Strategien gehört auch die Bildung sogenannter Ribonukleoprotein-Granula. Dabei handelt es sich um membranlose Bereiche in den Zellen, die aus RNA und RNA-bindenden Eiweißen bestehen. Mithilfe dieser wie kleine Körnchen aussehenden Einlagerungen in den Zellen werden viele zelluläre Prozesse beeinflusst, die vor allem eine komplexe Eiweißverteilung erfordern.
Die nichtkodierende RNA mimi leitet die Kondensation von Proteinen in Nervenzellen ein
Neuronen lagern Eiweiße und die mit ihnen verbundenen RNAs in diese Granula ein, um die Effizienz zu optimieren und große Mengen von Transkripten koordiniert zu regulieren. Bei der Untersuchung dieser Einlagerungen war es bislang nicht möglich, die Rolle der neuronalen Granula an sich von der Funktion der Eiweiße zu trennen, die die Granula bilden. „Stets führt die Entfernung von Schlüsseleiweißen der Granula nicht nur zur Auflösung des Granulums, sondern auch zur Unterbrechung anderer Eiweißfunktionen,” sagt Prof. Dr. Valérie Hilgers, Gruppenleiterin am MPI für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und Forscherin am CIBSS.
Mithilfe der Fruchtfliege Drosophila melanogaster hat Hilgers Labor jedoch eine hochspezifische und zwingend erforderliche Komponente eines besonders weit verbreiteten neuronalen Granulum-Typs identifiziert, der auch im Gehirn vieler anderer Lebewesen, einschließlich dem des Menschen, in großer Zahl vorkommt. Diese Komponente, ein RNA-Molekül, bietet erstmals die Möglichkeit, Funktionen des Granulums unabhängig von den Funktionen seiner Bestandteile zu untersuchen.
Das Team benannte das Molekül mimi, nach ihrer Entdeckerin und Doktorandin im Hilgers-Labor, Dominika Grzejda. „Als wir mimi entfernten, war die Bildung der Granula gestört, nicht aber die Expression anderer, zentraler granulumbildender Proteine,“ sagt Dominika Grzejda.